Ob im Büro, auf der Baustelle oder im Werk – die Gefahren lauern überall und es bedarf nur eines Augenblicks der Unachtsamkeit, um sich zu verletzen. Doch was genau ist ein Arbeitsunfall und was sollten Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen im Ernstfall beachten? In diesem Beitrag geben wir einen umfassenden Überblick über das Thema Arbeitsunfall und erklären, was im Notfall zu beachten ist.
Inhaltsverzeichnis
- Was gilt als Arbeitsunfall?
- Arbeitsunfälle – Daten & Fakten
- Prävention von Arbeitsunfällen
- Der Unfall ist passiert – was jetzt?
- Rechte & Pflichten von Arbeitnehmer:innen
- Pflichten der Arbeitgeber:innen
Was gilt als Arbeitsunfall?
Ein Arbeitsunfall ist ein plötzliches Ereignis, das in direktem Zusammenhang mit der Arbeit steht und eine Verletzung oder Erkrankung zur Folge hat. Hierunter fallen nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch psychische Erkrankungen, die durch die Arbeit ausgelöst werden. Wichtig ist, dass der Unfall während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur Arbeit passiert ist, um als Arbeitsunfall anerkannt zu werden. Die genaue Definition eines Arbeitsunfalls variiert jedoch von Land zu Land.
Deutschland: In Deutschland wird ein Arbeitsunfall vom Sozialgesetzbuch (SGB VII) definiert. Demnach handelt es sich um einen Unfall, der sich während der versicherten Tätigkeit ereignet hat und eine Gesundheitsschädigung zur Folge hat. Unter versicherten Tätigkeiten fallen alle Arbeiten, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeführt werden. Auch Tätigkeiten im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten können versichert sein.
Österreich: In Österreich ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, der sich während der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit ereignet hat und zu einer körperlichen oder geistigen Schädigung führt. Dabei spielt es keine Rolle, wer für den Unfall verantwortlich ist.
Schweiz: In der Schweiz gilt ein Unfall als Arbeitsunfall, wenn er sich während einer Tätigkeit ereignet hat, die im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit steht. Dabei muss es sich um eine plötzliche, von außen auf den Körper einwirkende Gewalt handeln, die zu einer Gesundheitsschädigung führt.
Daten & Fakten
Prävention von Arbeitsunfällen
Die Prävention von Arbeitsunfällen ist ein wichtiger Aspekt, um Unfälle am Arbeitsplatz zu vermeiden. Jede:r Arbeitgeber:in ist gesetzlich dazu verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitsunfälle zu verhindern.
Gefährdungsbeurteilung
Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Prävention von Arbeitsunfällen ist die Gefährdungsbeurteilung. Hierbei werden alle Tätigkeiten und Arbeitsumgebungen untersucht, um potenzielle Gefahren zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Gefährdungsbeurteilung muss regelmäßig durchgeführt und bei Veränderungen aktualisiert werden.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Auch die Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ist ein wichtiger Faktor zur Prävention von Arbeitsunfällen. Diese muss den jeweiligen Gefahren angepasst sein und regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden.
Hierzu gibt es von uns bereits einen umfassenden Beitrag.
Sicherheitstechnik & Instandhaltung
Die Sicherheitstechnik spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie umfasst alle technischen Maßnahmen, die dazu beitragen, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, z.B. die Absicherung von Maschinen, die Installation von Schutzeinrichtungen oder die Verwendung von Absturzsicherungen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die regelmäßige Wartung und Instandhaltung von Maschinen und Arbeitsmitteln. Defekte und Mängel müssen schnellstmöglich behoben werden, um mögliche Gefahrenquellen zu beseitigen.
Sicherheitsunterweisung & Training
Neben diesen technischen Maßnahmen spielt auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter:innen eine wichtige Rolle. Regelmäßige Schulungen, Trainings und Sicherheitsunterweisungen können dazu beitragen, das Bewusstsein für mögliche Gefahren am Arbeitsplatz zu schärfen und das Risikobewusstsein der Mitarbeiter zu erhöhen. Unterweisungen sollten regelmäßig stattfinden und müssen dokumentiert werden.
Der Unfall ist passiert – was jetzt?
Selbst wenn alle notwendigen Schritte zur Prävention von Arbeitsunfällen unternommen wurden, besteht immer noch die Möglichkeit, dass ein Unfall passiert. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass der bzw. die Betroffene und alle anderen Beteiligten richtig und schnell handeln, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und den Fall gemäß der geltenden Gesetze und Vorschriften zu behandeln.
Hier sind einige wichtige Schritte, die bei einem Arbeitsunfall zu beachten sind:
Sofortige medizinische Hilfe leisten bzw. suchen
Alles zum Thema erste Hilfe auf der Baustelle haben wir bereits in einem eigenen Blogartikel für Sie ausgearbeitet. Hier finden Sie auch die relevanten Regelungen zu betrieblichen Ersthelfern und mehr.
Unfallstelle sichern
Sobald der bzw. die betroffene Arbeitnehmer:in medizinisch versorgt wird, muss die Unfallstelle unverzüglich gesichert werden, um weitere Verletzungen oder Unfälle zu vermeiden. Dies kann durch das Absperren der betroffenen Bereiche oder das Einrichten von Absperrungen geschehen. Es ist auch wichtig, eventuelle Gefahrenquellen, wie herumliegende Werkzeuge oder beschädigte Ausrüstung, zu beseitigen.
Unfall melden
Es ist die Pflicht der Arbeitgeber:innen, jeden Arbeitsunfall an die zuständigen Stellen zu melden. In Deutschland müssen Arbeitsunfälle beispielsweise der Berufsgenossenschaft gemeldet werden, während in Österreich die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) und in der Schweiz die SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) informiert werden müssen.
Die genauen Meldeverfahren und Fristen sind von Land zu Land unterschiedlich.
Österreich: In Österreich muss ein Arbeitsunfall gemeldet werden, wenn dieser zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen führt oder ein tödlicher Unfall ist. Der Unfall muss innerhalb von 5 Werktagen der zuständigen Unfallversicherung gemeldet werden.
Deutschland: In Deutschland beispielsweise müssen Arbeitsunfälle innerhalb von drei Tagen an die zuständige Berufsgenossenschaft gemeldet werden, wenn der Unfall zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führt oder ein tödlicher Unfall ist.
Schweiz: In der Schweiz muss ein Arbeitsunfall gemeldet werden, wenn dieser zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als einem Tag führt oder ein tödlicher Unfall ist. Der Unfall muss innerhalb von 30 Tagen der zuständigen Unfallversicherung gemeldet werden.
Es ist jedoch ratsam, jeden Arbeitsunfall, auch wenn er relativ unbedeutend erscheint, zu melden. Dies kann dazu beitragen, dass der Vorfall untersucht und mögliche Sicherheitsrisiken identifiziert werden, um zukünftige Unfälle zu vermeiden.
Dokumentation des Unfalls
Es ist auch wichtig, den Unfall detailliert zu dokumentieren. Der bzw. die Arbeitgeber:in oder Vorgesetzte muss ein Unfallberichtsformular ausfüllen, das alle wichtigen Informationen über den Unfall enthält, einschließlich Datum, Uhrzeit, Ort, Beteiligte, Art und Umfang der Verletzungen und Maßnahmen, die ergriffen wurden. Auch Namen und Kontaktdaten aller Beteiligten sowie aller Zeugen müssen vermerkt werden. Falls es Zeugen gibt, sollten diese befragt und ihre Aussagen in die Dokumentation aufgenommen werden. Falls möglich, sollten Fotos vom Unfallort und den beteiligten Objekten gemacht werden.
Untersuchung des Unfalls
Nachdem der bzw. die Arbeitnehmer:in medizinisch versorgt wurde und die Unfallstelle gesichert ist, sollte der bzw. die Arbeitgeber:in eine gründliche Untersuchung des Unfalls durchführen, um die Ursache des Unfalls zu ermitteln und zukünftige Unfälle zu vermeiden. Dies sollte in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen erfolgen.
Betreuung des bzw. der Verletzten
Es ist wichtig, dass betroffene Arbeitnehmer:innen während der gesamten Genesungszeit betreut und unterstützt werden. Dies kann psychologische Unterstützung, finanzielle Hilfe oder andere Unterstützungsmaßnahmen umfassen. Dazu lesen Sie im nächsten Abschnitt mehr.
Rechte & Pflichten von Arbeitnehmer:innen
Arbeitnehmer:innen haben das Recht, …
- von ihren Arbeitgeber:innen über die bestehenden Präventionsmaßnahmen informiert zu werden und aktiv an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen mitzuwirken.
- bei potenziellen Gefahrenquellen oder Verstößen gegen Arbeitsschutzvorschriften ihre Arbeitgeber:innen darauf hinzuweisen und Verbesserungen einzufordern. Wenn diese bzw. dieser den Hinweisen nicht nachkommt oder sogar gegen geltende Arbeitsschutzvorschriften verstößt, können Arbeitnehmer:innen dies bei der zuständigen Behörde melden.
- sich im Falle eines Arbeitsunfalls ärztlich untersuchen zu lassen und gegebenenfalls medizinisch behandelt zu werden. Zudem haben sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit sowie auf Rehabilitation und Wiedereingliederung ins Arbeitsleben.
- Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten. Hierzu muss der Unfall unverzüglich der zuständigen Unfallversicherung gemeldet werden. Diese wird dann die notwendigen Schritte einleiten, um Arbeitnehmer:innen die erforderliche medizinische Versorgung und Rehabilitation zukommen zu lassen.
Arbeitnehmer:innen haben die Pflicht, …
- Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Dazu gehört beispielsweise das Tragen von Schutzausrüstung oder das Vermeiden von riskanten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz.
- potenzielle Gefahren am Arbeitsplatz bei seinem Vorgesetzten oder der zuständigen Sicherheitsabteilung zu melden. Dadurch können Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu verhindern.
- an Schulungen und Sicherheitsunterweisungen teilzunehmen.
- den Arbeitgeber:innen zu melden, wenn sie in einen Arbeitsunfall verwickelt waren.
- bei einer Unfalluntersuchung mitzuwirken. Nach einem Arbeitsunfall wird in der Regel eine Untersuchung durchgeführt, um die Ursachen des Unfalls zu ermitteln und Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Unfälle zu ergreifen. Arbeitnehmer:innen sind verpflichtet, an dieser Untersuchung mitzuwirken und alle relevanten Informationen bereitzustellen.
Welche Leistungen erhalten Arbeitnehmer:innen nach einem Arbeitsunfall?
Im Falle eines Arbeitsunfalls haben Versicherte in der Regel Anspruch auf verschiedene Leistungen, die je nach Land und Versicherungsart unterschiedlich sein können. Hier sind einige mögliche Leistungen:
Unfallrente
Eine Unfallrente wird in der Regel gezahlt, wenn der Versicherte durch den Arbeitsunfall dauerhaft erwerbsunfähig wird. Die Höhe der Rente hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Grad der Behinderung und dem Einkommen vor dem Unfall.
Verletztengeld
Wenn der Versicherte aufgrund des Arbeitsunfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist, kann Verletztengeld gezahlt werden. Dieses entspricht in der Regel dem Nettoeinkommen des Versicherten vor dem Unfall und wird in der Regel für maximal 78 Wochen gezahlt.
Heilbehandlung
Die Kosten für die medizinische Versorgung nach einem Arbeitsunfall werden in der Regel von der Versicherung übernommen. Dazu gehören unter anderem die Behandlungskosten, Krankenhauskosten, Reha-Maßnahmen und Arzneimittel.
Unfallrente für Hinterbliebene
Wenn der oder die Versicherte durch den Arbeitsunfall stirbt, haben Hinterbliebene in der Regel Anspruch auf eine Unfallrente. Die Höhe der Rente hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Einkommen des bzw. der Verstorbenen vor dem Unfall und dem Alter der Hinterbliebenen.
Witwen- oder Witwerrente
Wenn der oder die Versicherte durch den Arbeitsunfall stirbt und eine Ehefrau oder ein Ehemann hinterlässt, hat diese Person in der Regel Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente. Auch hier hängt die Höhe der Rente von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Einkommen des oder der Verstorbenen vor dem Unfall und dem Alter der Hinterbliebenen.
Pflichten der Arbeitgeber:innen
Ergreifen von Präventionsmaßnahmen
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber:innen dazu, geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu treffen. Hierzu gehört auch die regelmäßige Überprüfung von Arbeitsabläufen und Arbeitsbedingungen, um potenzielle Gefahrenquellen zu identifizieren und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Unfallversicherung der Arbeitnehmer:innen
Arbeitgeber:innen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Mitarbeiter:innen gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu versichern. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung werden in der Regel vom Arbeitgeber getragen. Dies gilt für Deutschland und Österreich, in der Schweiz müssen Arbeitgeber eine private Unfallversicherung für ihre Beschäftigten abschließen.
In Deutschland und Österreich werden Arbeitsunfälle von der Berufsgenossenschaft (BG) bzw. Unfallversicherungsträgern (UV-Träger) reguliert. In der Schweiz sind es die Suva oder private Unfallversicherer. Diese Einrichtungen übernehmen die Kosten für medizinische Behandlungen, Rehabilitation und gegebenenfalls auch für Renten- oder Schmerzensgeldzahlungen an die betroffene Person.
Meldung und Untersuchung von Arbeitsunfällen
Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, den Unfall an die Berufsgenossenschaft bzw. Unfallversicherungsträger zu melden und diesen entsprechend zu untersuchen, um Maßnahmen zu ergreifen, zukünftige Unfälle zu verhindern.
Wir wünschen Ihnen einen sicheren Arbeitstag!
Ihr LogicLine Team