Die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit wird in der heutigen Gesellschaft immer mehr anerkannt. Doch leider wird oft vergessen, dass auch Handwerksberufe eine hohe Belastung für die Psyche darstellen können. In diesem Blogartikel wollen wir uns deshalb mit der mentalen Gesundheit in Handwerksberufen beschäftigen und herausfinden, wie Handwerker:innen ihre seelische Gesundheit erhalten können. Und wie Sie, falls Sie einen Handwerksbetrieb leiten, als Führungskraft Maßnahmen ergreifen können, Ihre Mitarbeiter:innen (und auch sich selbst) dabei zu unterstützen.
Welche Belastungen treten in Handwerksberufen auf?
Handwerksberufe erfordern oft eine körperliche Belastung und erfordern viel Konzentration und Aufmerksamkeit. Dabei können Handwerkerinnen und Handwerker oft unter hohem Stress und Druck stehen, da sie zusätzlich oft engen Zeitplänen und hohen Erwartungen ausgesetzt sind.
Die körperliche Belastung ist für viele Außenstehende vielleicht erst einmal nur eines: eine körperliche Belastung, die nichts mit der Psyche zu tun hat. Doch auch eine körperliche Anstrengung wirkt sich seelisch auf uns aus: Häufig ist sie in Handwerksberufen extrem. Um einer körperlichen Ermüdung entgegenzuwirken, hat der oder die Betroffene oftmals nicht mehr Optionen, als auf seine Willenskraft zurückzugreifen. Auch Sorgen über den eigenen körperlichen Zustand und Gedanken über die Zukunft können sich dazugesellen.
Zudem kann es in manchen Handwerksberufen zu einem hohen Maß an Verantwortung kommen, was auch zu psychischem Stress führen kann. Einerseits gilt das für die Verantwortung für andere Mitarbeiter:innen, andererseits müssen auch die einzelnen Projekte, Materialbeschaffung, Baustellen und der Kundenkontakt reibungslos koordiniert werden. Das birgt, wenig überraschend, Stresspotenzial.
Was ist eigentlich Stress?
Stress ist eine körperliche und psychische Reaktion des Körpers auf eine Anforderung, die als belastend oder herausfordernd empfunden wird. Es handelt sich um eine natürliche Reaktion des Körpers auf Situationen, die als Bedrohung oder Herausforderung wahrgenommen werden. Der Körper setzt dann Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol frei, um den Körper auf die Anforderung vorzubereiten und die notwendige Energie und Konzentration bereitzustellen.
Stress kann positive oder negative Auswirkungen auf den Körper haben. Wenn Stress kurzzeitig auftritt und dann wieder abklingt, kann er dazu beitragen, dass der Körper sich auf eine Herausforderung konzentriert und die Leistungsfähigkeit erhöht wird. Wenn Stress jedoch langanhaltend oder chronisch wird, kann dies zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit führen, wie zum Beispiel zu Bluthochdruck, Schlafstörungen, Verdauungsproblemen oder einem geschwächten Immunsystem.
Wie können Handwerksbetriebe die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen unterstützen?
1. Bewusstsein schaffen
Ein erster wichtiger Schritt ist es, sich bewusst zu machen, dass die seelische Gesundheit ebenso wichtig ist wie körperliche Gesundheit. Nur wenn man seine eigene Psyche ernst nimmt und auf ihre Bedürfnisse achtet, kann man langfristig gesund bleiben.
Gerade im Handwerk, einer teils immer noch männerdominierten Branche, wird noch wenig über die mentale Gesundheit gesprochen, den natürlichen Bedürfnissen immer noch wenig Bedeutung eingeräumt. Auf Baustellen ist ein rauer Ton oft normal, weiche Themen unüblich. Auch der Zugang zu den eigenen Emotionen fällt vielen schwer und unser Bild nach außen möchten wir natürlich alle wahren.
Als Arbeitgeber:in können Sie hier dadurch unterstützen, dass Sie den Raum für die Thematik eröffnen. Dass Sie Ihren Mitarbeiter:innen gegenüber betonen, dass das Thema psychische Gesundheit nicht nur allgemein, sondern auch in Ihrem Unternehmen wichtig ist. Dass jede:r Mitarbeiter:in gehört und gesehen wird.
2. Austausch stärken und Raum zur Gestaltung geben
Apropos gehören und gesehen werden: Wichtig für das seelische Wohlbefinden in einem Unternehmen ist es, sich wahrlich als Teil des Betriebes zu fühlen. Regelmäßige Termine, in denen jeder zu Wort kommen kann, können ein guter Anfang sein. Dies kann übrigens auch im Rahmen eines externen Coachings stattfinden. Oftmals ist es leichter für alle Beteiligten, wenn jemand von außen dazukommt und diesen Raum schafft.
Was läuft gut? Was könnte wie noch besser laufen? Was stört? Hat jemand eine Idee, wie man einen Prozess optimieren könnte? Das stärkt den Austausch, kleinere Konflikte können direkt aus dem Weg geräumt werden. In einer größeren Runde zu sprechen bietet außerdem folgenden entscheidenden Vorteil: Andere Teilnehmer können auf dem Gesagten aufbauen, Themen können vollends aus allen Perspektiven durchdrungen werden und auch bei Lösungsideen kann die Gruppe und jede:r mit ihrer bzw. seiner eigenen Sicht unterstützen. Vorsicht ist nur dahingehend geboten, dass der Mensch schneller negative Aspekte als positive benennt. Achten Sie also gezielt darauf, dass Sie auch Erfreuliches und Bestärkendes besprechen.
Zwei kleine Übungen, die am besten am Anfang oder am Ende einer Team-Besprechung positiv auf die Teilnehmenden wirken:
1. I like … / I wish …
Jeder und jede Mitarbeitende nennt reihum eine(n) Sache/Maßnahme/Zustand, die sie mag (I like) bzw. für gut befindet, gut funktioniert, sich gut entwickelt hat. Dann formuliert er oder sie noch eine Sache, die er oder sie sich wünschen würde (I wish). So werden auch Verbesserungsvorschläge als das formuliert, was sie sind und sind kein weiteres negatives Hinweisen auf Dinge, die nicht funktionieren.
Beispiel: “Ich mag, dass wir auf der Baustelle so gut zusammen als Team funktionieren und uns fast ohne Worte verstehen. Ich würde mir wünschen, dass wir neue Leitern bekommen, weil die jetzige Lösung in die Jahre gekommen und unhandlich ist und das unsere Arbeitsabläufe erleichtern würde.”
2. Die Komplimentedusche
Dies ist eine Übung, die vielen anfangs etwas unangenehm ist, sich danach aber umso mehr an Beliebtheit erfreut. Jedes Mal (in jeder Team-Besprechung) wird eine Person ausgewählt. Diese erhält von jedem und jeder anderen Kollegen bzw. Kollegin ein Kompliment! Sie würden nicht glauben, wie bestärkend es ist, oft auch so viel Positives zu hören, das man an sich selbst womöglich gar nicht sieht. Zu oft im Alltag denken wir uns außerdem etwas nettes über jemand anderen, haben aber nicht den Mut, es auszusprechen. Zusammen als Gruppe, wenn alle es machen, ist es leichter!
Gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und das Arbeitsumfeld zu gestalten, ist in vielen Handwerksbetrieben nicht etabliert, Mitsprache oder Rückkopplung ist oft nicht gegeben. Dabei ist es so wichtig, dass die Mitarbeitenden Selbstwirksamkeit erfahren. Und dass bei der Gestaltung der Arbeit so gut es geht auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht genommen wird.
So kann gemeinsam ein Arbeitsumfeld und Arbeitsumstände geschaffen werden, die das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen stärken. Reflexions- und Feedbackrunden sorgen für mehr Transparenz, Offenheit und fördern den Teamgeist.
3. Klare Verantwortungsbereiche schaffen
Ganz oben haben wir bereits über die vielfältigen Belastungen im Handwerk gesprochen und wir sind uns sicher: Es gibt wahrscheinlich noch mehr davon. Stellen Sie sich vor, diese lasten alle irgendwie auf einer Person. Oder sogar auf jeder Person gleichermaßen. Stellen Sie sich vor, Verantwortungsbereiche sind nicht klar definiert oder abgegrenzt, jeder kümmert sich ein bisschen um jede Aufgabe, es entstehen redundante Aufwände, aber Kopfarbeit für jede:n Mitarbeitende:n. Das ist nicht nur ineffizient rein aus der Zeitperspektive, sondern auch unnötigerweise belastend für das Individuum.
Versuchen Sie, klare Prozesse zu gestalten und Verantwortungsbereiche zu definieren. So hat jeder und jede von Ihnen seinen bzw. ihren Kernbereich zu überblicken, Sie werden schneller und routinierter. Das entspannt auch das Gehirn.
Und wichtig ist vor allem eines: Dadurch, dass man die Mitarbeitenden zur Verbesserung Ihrer mentalen Gesundheit anregt oder sogar Maßnahmen dahingehend anregt (bspw. Coaching), sollte nicht über schlecht organisierte Rahmenbedingungen hinweggetäuscht werden. Da, wo etwas geändert werden kann, sollte dies auch passieren, um die Bedingungen zu verbessern.
4. Eröffnen Sie eine Vision
Haben Sie sich schon einmal mit einer Unternehmensvision auseinandergesetzt? Sie wird auch oft als “Vision Statement” bezeichnet. Die Vision beschreibt ein Leitbild, einen Nordstern, eine Zielvorstellung und ganz wichtig: ein Warum. Ein Warum und damit ein Sinn in der eigenen Arbeit ist extrem wichtig, damit man seine Arbeit als erfüllend empfindet. Außerdem schafft eine Vision Zusammenhalt – alle Mitarbeiter:innen glauben an und arbeiten für das selbe Ziel.
Deshalb ist es aber auch sehr wichtig, dass die Mitarbeitenden in das Formulieren einer Vision miteinbezogen werden und ihnen nicht etwas übergestülpt wird, womit sie sich nicht identifizieren können.
Zur Inspiration haben wir Ihnen die Vision Statements von einigen bekannten Unternehmen zusammengetragen:
- Alnatura: “Sinnvoll für Mensch und Erde.”
- IKEA: “To create a better everyday life for the many people.”
- Nike: “Bring inspiration and innovation to every athlete* in the world. (*If you have a body, you are an athlete.)“
- TED: “Spread ideas.”
- Google: “To provide access to the world’s information in one click.”
- Wikipedia: “Stell Dir eine Welt vor, in der jeder einzelne Mensch freien Anteil an der Gesamtheit des Wissens hat.”
- Tesla: “To accelerate the world’s transition to sustainable energy.”
Was können Sie als Arbeitnehmer selbst für Ihre psychische Gesundheit tun?
1. Soziale Kontakte nicht aus den Augen verlieren
Wer kennt es nicht – das Gefühl nach einem richtig richtig guten Gespräch mit einem guten Freund oder einer guten Freundin. Gerade in Handwerksberufen kann es aufgrund des hohen Arbeitspensums und der darauf folgenden Erschöpfung schwierig sein, soziale Kontakte zu pflegen. Doch es ist wichtig, regelmäßig Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen und sich mit ihnen auszutauschen. Auch der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen kann helfen, um ein Gefühl der Verbundenheit zu schaffen und sich gegenseitig zu unterstützen.
2. Entspannung und regenerative Aktivität nicht vergessen
Neben dem sozialen Austausch ist auch Entspannung wichtig, um den Kopf freizubekommen und den Stress des Alltags zu reduzieren. Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, die je nach individuellen Vorlieben gewählt werden können. Einige Beispiele sind Yoga, Meditation, Sport oder auch einfach nur ein Spaziergang in der Natur. Hier fallen übrigens auch Ihre persönlichen Interessen hinein: Ihre Hobbies. Wir wissen, es ist bei all dem Arbeitspensum nicht leicht, diesen weiterhin in dem Ausmaß nachzugehen, wie man gerne würde. Doch das Gefühl, auch außerhalb der Arbeit etwas zu (er)schaffen oder zu (er)leben, was Ihnen Sinn gibt, ist am Ende ein sehr bereicherndes. Außerdem bekommen Sie den Kopf dabei frei.
3. Aktiv werden: Einfluss auf die eigenen Arbeitsumstände nehmen
Sie hätten gute Ideen für Prozessoptimierungen oder Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen in Ihrem Betrieb verbessern könnten? Viel zu oft nehmen wir die Dinge als gegeben hin. Wenn möglich, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem bzw. Ihrer Vorgesetzten. Gegen gute Vorschläge, durch die beide Seiten gewinnen, hat selten jemand etwas einzuwenden.
Das gleiche gilt übrigens für Ihre persönlichen Anforderungen. Fragen Sie ruhig einmal nach Flexibilität bei Ihrem Arbeitgebers – eventuell ist ein Problem leichter zu lösen, wenn man direkt an dieser Stellschraube ansetzt.
4. Professionelle Unterstützung
Nicht zuletzt kann auch professionelle Hilfe sinnvoll sein, wenn man merkt, dass man sich nicht mehr selbst helfen kann. Es gibt zahlreiche Angebote, wie zum Beispiel psychologische Beratung oder Coaching, die dabei helfen können, psychische Belastungen zu reduzieren und die eigene mentale Gesundheit zu stärken.
Gedanken zum Schluss
Insgesamt ist es wichtig, dass Handwerkerinnen und Handwerker, aber genauso ihre Führungskräfte, ihre mentale Gesundheit ernst nehmen und aktiv etwas dafür tun, um langfristig gesund zu bleiben. Durch einen bewussten Umgang mit der eigenen Psyche, den Austausch mit anderen und Entspannung können Sie Ihre seelische Gesundheit erhalten und ein erfülltes Leben führen. Die gesunde Psyche ist für ein glückliches und langes Leben unabdingbar und genauso sollte sie auch behandelt werden.
Wie immer wünschen wir Ihnen eine gute Zeit,
Ihr LogicLine Team